U.S. Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020

Politik hat eine unbekannte Dimension – sie ist auch ein unbewusster Prozess mit unbewussten Gefühlen der Reinheit, Stärke und Befreiung.

Es geht um die Abwehr unerträglicher Gefühle, die von frühen Traumen während der pränatalen Lebenszeit, der Geburt und der postnatalen Lebenszeit bis zum Spracherwerb stammen.  All diese Gefühle werden im Trauma der Geburt zusammengefasst.  Bei der Geburt ging die zuvor nährende Umgebung, die Plazenta und die Nabelschnur, verloren. Die aus diesem Verlust resultierenden traumatischen Gefühle werden abgewehrt, indem man sie auf der Ebene der nationalen Politik auslebt.

Wenn die traumatischen Gefühle in der Politik nicht genügend ausgelebt werden, erscheint uns die Regierung, die uns nicht vor unseren unbewussten traumatischen Gefühlen schützt, unbewusst und unwillkürlich als böse, schwach, schmutzig und vergiftend. In der Psychogenen Geschichtstheorie von Lloyd DeMause spricht man von “Wachstumspanik”. Dies führt zu Gefühlen des Hasses gegen den rationalen Staat und zur Unterstützung von Politiken, die unser reales nährende Umfeld gefährden, nämlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und internationale Zusammenarbeit.

Im Jahr 2016 gab es nach der achtjährigen Amtszeit des ersten schwarzen und auch vernünftigen Präsidenten Barrack Obama und vor der bedrohlichen ersten weiblichen Präsidentin Hillary Clinton eine Situation der Wachstumspanik. Ich glaube, dass unsere Social Alters damals in uns Amok liefen, ohne dass wir uns dessen bewusst waren.  Nur, dass sich kaum jemand mit der vernünftigen Kandidatin und mit der Demokratie selbst identifizieren konnte. Deshalb kam die Wahl von Trump zustande.

Inzwischen sind wir jetzt (hoffentlich) durch Schaden klug geworden. Die Trump-Regierung verursachte so viel Zerstörung und Unheil, dass wir von unseren Wachstumsängsten befreit und gereinigt wurden. Wir sind durch Schaden auch weise geworden. Die Beweise für die Böswilligkeit des Präsidenten und den wirklichen Schaden, den seine Politik unserem nährenden Umfeld, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der internationalen Zusammenarbeit zugefügt hat, wuchsen, und infolgedessen wurden unsere rationalen Persönlichkeiten zunehmend gedrängt, die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen und sich der Unterschiede zwischen Demokratie und Autokratie bewusst zu werden. Und sich von den Social Alters und der zugehörigen unwillkürlichen antidemokratischen Impulsen zu distanzieren. Das Wasser steht uns bis zum Hals.

Trump sucht nun den Comey-Moment, in dem ein Mitglied des Establishments ihm durch tatsächliche Handlungen einer Institution, die im tiefsten Sinne für das Wohlergehen dieser Gesellschaft verantwortlich ist, Legitimität verschafft. So wie es der Fall war, als kurz vor dem offiziellen Wahltag 2016 eine Untersuchung gegen Hillary Clinton eingeleitet wurde. Dies war ein außerordentlicher Triumph für unser soziales Alter. Und eine deprimierende Erfahrung für unsere vernünftigen Persönlichkeits-Teile, die traditionell den politischen Mainstream unterstützen. Vom Chef des FBI im Stich gelassen! Was für ein Desaster!

Heute beurteile ich die Situation anders. Jetzt haben wir 4 Jahre lang Anschauungsunterricht erhalten, wie sich die Politik Trumps auf unser Leben und die Demokratie auswirkt.  Unsere vernünftigen Persönlichkeiten sind in einer stärkeren Stellung gegenüber unseren Social Alters und wissen genug und stehen zu ihrer Pflicht, eine weitere Amtszeit Trumps und wenn möglich eine weitere republikanische Mehrheit im US-Senat zu verhindern. Biden spielt seine vernünftige Rolle gut.  Unsere vernünftigen Persönlichkeiten haben genug gesehen, um zu erkennen, wie gefährlich Trump für die Existenz der Demokratie an sich und damit für die Grundlagen unseres nährenden Umfelds ist.

Das macht uns widerstandsfähiger als im Jahr 2016, als unsere Social Alter sich wütend gegen die Idee wehrten, dass einem schwarzen und erst noch vernünftigen Präsidenten die erste weibliche Präsidentin folgen sollte. Die schlimmsten traumatischen Gefühle hätten sich damals gegen uns gerichtet, wenn wir uns mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit identifiziert und für Hillary Clinton eingesetzt hätten. Auch sie wäre wahrscheinlich nämlich eine vernünftige Präsidentin geworden.

Ich glaube, dass ein De-facto-Staatsstreich mit Hilfe des Obersten Gerichts möglich ist, wenn die Republikaner die Wahlen verlieren. Schließlich zeigen die Republikaner durch die extreme Manipulation der Wahlkreisgrenzen und die de facto Nichtanerkennung des Wahlrechts von Schwarzen und anderen pro-demokratischen Wählern, dass sie nicht zu den Verteidigern von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehören. Bereits G.W. Bush gewann die Präsidentschaftswahlen von 2012 nur dank zweifelhaften Entscheidungen des damals wie heute konservativ dominierten Obersten Gerichts.

Inzwischen wartet Giuliani, ehemaliger Bürgermeister von New York, heute Verbündeter von Trump, angeblich im Besitz des Computers von Bidens Sohn, auf einen günstigen politischen Moment, bereit, lawinenartig zunehmende wütende Massenemotionen über unsere Social Alters auf unsere vernünftigen Persönlichkeitsanteile zu lenken, während er uns mit seinen verrückten Botschaften ständig unter Strom setzt.

Florian Galler, Zürich, 28.10.2020

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